Ende und Anfang

Nein! Auf keinen Fall wollte ich Silvester in einer Stadt zubringen, beißenden Geruch von Schwarzpulver in der Nase, zusammenzucken bei jedem Donnerschlag. Doch es kam anders – am letzten Tag des Jahres.

Es ist warm, fast frühlingshaft – noch haben die Partys nicht begonnen.

Die letzten Sonnenstrahlen glühen über den Straßen. Wir waren für eine kleine Besorgung am Späti. Nun gehen wir Richtung Park.

Dort sitzen wir – noch angeschlagen von der Grippe – auf einer Bank. Eine alte Frau bleibt stehen, wünscht uns eine gute Nacht – und ein gutes Jahr. Dann ein stummer Moment bevor sie weiterzieht. ‘Alt’ – komisch, jenseits der 60 wird dieses Wort sehr relativ. Die Frau sah älter aus als wir, aber war sie dies wirklich. Ihr Gesicht zerknitterter, ihr Gang schlurfiger, schwerfälliger.

Als wir sie wieder treffen, grüße ich sie, aber sie erkennt uns nicht. Ihre Mimik bleibt stumpf.

Wir sitzen lange, eine Frau mit Tüten kommt vorbei. Ihr Gesicht wirkt jung. Die Tüten bergen keinen Einkauf, sondern ein paar Habseligkeiten. Sie bleibt stehen, bittet um Geld. Sie habe keine Wohnung mehr. Wir stecken ihr ein paar Euro zu.

Später ein gutes Abendessen, Umarmungen zum Jahreswechsel, Anrufe und SMS von Menschen, bei denen man gerade nicht sein kann.

Ich denke an die junge Frau im Park – Wo mag sie jetzt sein? Wer nimmt sie in den Arm?

Ich habe einen Wunsch fürs nächste Jahr:

und träume in der Nacht einen Engel der Öffnung.

“Sei klug und halte dich an Wunder”

“Irgendetwas muss doch in diesem verf***ten Jahr mal funktionieren”, maulte mein Bruder, als er mich am Frankfurter Bahnhof mitten in der Nacht abholte. Dort war ich nach einer wahren Odyssee mit der Bahn in der Nacht vor Heiligabend gestrandet.

So Mitten in der Nacht – der volle Mond grinste über dem Bahnhof – steht man als Frau nicht, ohne dass es zu Kontaktversuchen kommt. Der Erste hatte Hunger nach etwas menschlicher Wärme – eine einsame Seele in einem Straßenmeer. Aber ich wollte niemanden kennen lernen, sondern einfach nur weiter – in ein helles Wohnzimmer und wärmendes Bett. Der Zweite hatte physischen Hunger. Ich drückte ihm etwas Geld in eine Hand, die in zerlöcherte Handstulpen gehüllt war.

Nach diesen zwei Kontaktversuchen und drei Zigaretten war mein Retter da.

Am nächsten Tag stieg das Familienfest, mit leckerem Essen, langen Spaziergängen – und einer anschließenden Grippewoche. Alle weiteren Reisepläne gecancelt, stattdessen Spaziergänge mit meinem Bruder und ein stilles Silvester mit zwei Vier- und zwei Zweibeinern.

Mein Motto fürs neue Jahr:

“Zerreiß deine Pläne. Sei klug

und halte dich an Wunder.

Sie sind lang schon verzeichnet

im großen Plan.

Jage die Ängste fort

und die Angst vor den Ängste.”

Das fand ich bei einer klugen Frau – Mascha Kaléko.

Sentimental journey – Der Garten der Dinge

Der Garten der Dinge befindet sich am Rande einer größeren Stadt in Mittelhessen.

Er wird von Zwei-

und Vierbeinern bevölkert.

Und dort leben zwei Menschen, die T. und mir sehr ans Herz gewachsen sind.

Es ist ein Ort, an den man in jeder Größe zurückkehren kann.

Man wird dort immer empfangen.

In den letzten Tagen des Jahres 21 liegt auch dieser Garten in Winterruhe.

Im Licht der kurzen Tage gehen wir in der Nachbarschaft spazieren.

Ganesha hält seine Hand über Garten und Haus.

Silvesterlied ….

Zum Glück gehts dem Sommer entgegen

Da wären wir also.

Nach diversem Hin und Her haben wir dann doch alle Kartons ausgepackt und den Inhalt an die Wand gestapelt bekommen. Jetzt sieht es so aus wie in einem sehr eigenartigen Antiquariat.

Nur mehr Bildschirme, und das Essen ist besser.

Der Kirchturm ist 20 Meter entfernt und an den meisten Tagen kann man ihn auch sehen. Wenn nicht, dann wenigstens hören.

Es war:

Ein Herbst und ein Winter. Da kommen nur wenige Besucher hierher und die Leute vom Hafenbüro berichten von Tagen, an denen mehr Crewmitglieder als Reisende an Bord des Winterschiffes sind.

Um den Jahreswechsel kommen ein paar Leute mehr, aber größtenteils sind die Insulaner unter sich.

Nichtsdestotrotz (oder deshalb?) hat die Gemeinde dem Lung Wai einen ganz neuen Lichterschmuck spendiert.

Sieht irgendwie wie Bielefeld aus. Wobei ich erwähnen sollte, dass ich wirklich mal drei Wochen in der Vorweihnachtszeit in Bielefeld gelebt habe. War ‘ne gute Zeit.

Die Winterstürme haben am Nordstrand Spuren bis zur Dünenkante hinterlassen.

Spuren überhaupt.

Manchmal berichten sie vom kommenden Frühling.

Kann wieder losgehen.

Ach so, “Zum Glück gehts dem Sommer entgegen” ist ein Buchtitel von Christiane Rochefort und hat mit diesem Eintrag leider fast nur den Titel gemeinsam. Unbedingt lesen!

Siebzehn, achtzehn und so weiter

Wochenlang war ich blogmüde.  Im Dezember gab es beruflich einiges zu tun und größtenteils war das ziemlich nervig.

Vor Weihnachten kam dann Fe mit dem Langen Jan™ vom Festland herüber und alles wurde ein wenig besser. Auch wenn wir am 24.12. erst mal kucken mussten, wie wir die Heizung in der extra angemieteten Wohnung repariert kriegen. Es geht nix über die aufopfernde Solidarität diverser ArbeitskollegInnen :-) .

Die Feiertage vergingen ohne unnötigen Trööt und Tamtam. Jan ist ein entschiedener Weihnachtsgeschenkkonsumterrorsch***-Verweigerer und was gibt es wohl sonst, wenn eine Deutschlehrerin und ein Gästeführer auf Helgoland bei Schietwetter Weihnachten feiern?

Genau.

Und coole Socken :-) .

Und Schietwetter gab es dann ordentlich. Zwei Orkane zogen über uns hinweg und Jan wollte sich das natürlich im Oberland genau ansehen.

Nein, er fällt nicht gerade um, er steht einfach nur da. Oder was man bei Beaufort 11 so nennt.

Den Wind kann man halt nicht fotografieren.

Dazwischen war es plötzlich wieder ganz friedlich.

Beim Spaziergang auf der Düne hatten sich aber die meisten Robben vor dem Sturm vom Strand ins Innere der Düne verkrochen.

Oder mal kurz am Flughafen vorbeigeschaut.

Da war’s mit dem Mindestabstand vom 30 Metern gar nicht so einfach. Musst du aufs Klo? Pech.

Besonders wichtig, wenn die Mutter mit dem Neugeborenen am Strand ein Nickerchen hält. Denn wenn die Mama ihren Nachwuchs in Gefahr glaubt, kann sie so schnell werden wie ein gut trainierter Fahrradfahrer.

Hallo.

Keine Fotos, bitte.

Ich bin nämlich der krasseste Gähner vom ganzen Strand.

Auch andere Säugetiere liegen am Strand herum (Robbe: Bildmitte links ;-) .

Hier ist die Lage gerade etwas unübersichtlich.

Fe will mit der Nordsee “wann kommt die richtig große Welle” spielen.

Die Nordsee mogelt.

So sieht’s aus.

Dann kam der Jahreswechsel. Diesmal haben wir uns nicht derartig den Bauch mit Falafel vollgeschlagen, dass wir den Gongschlag verpasst haben.

Knallpängbumm und so weiter, aber um eins war wieder Ruhe im Schiff.

Der Inselfunk berichtet, dass es in der Nordseehalle noch bis in den frühen Morgen weiterging und am Schluss gab es traditionell auch ordentlich was auf die Omme. Zwei Offshore-Guys hatten sich irgendwie mit der Dorfjugend angelegt. Immer eine schlechte Idee.

Aber da waren wir sowieso schon im Bett.

Peace everybody!

Drei

Das dritte Silvester auf dem Felsen. Vor zwei Jahren wurde ich von Gästen auf dem Heimweg in deren Party hereingezerrt und zerschellte an einem Killer-Caipirinha. Spontaner Sprachverlust in 15 Minuten. Hm.

Vor einem Jahr stand ich ganz unzeremoniell oben an der Steilklippe, prostete der Nordsee mit einem Handbier zu und ging wieder nach Hause. Da hätte ich noch superkomplizierte Fremdwörter aussprechen können. Es war aber keiner da, der sie hätte hören wollen. Tja.

Heute haben wir lecker Falafel gemacht und uns dann – leicht überfuttert – mal kurz hingelegt. Die Macht des Falafel war größer als die des Weckers. Also warf uns das Feuerwerk um 00:01 Uhr aus dem Bett. So geht’s natürlich auch ;-) .

Zum Glück wohne ich ja mit Seeblick.