Stadtmobil(-iar)

Ich gehe gerne spazieren.

Als Mensch, der in einer reizarmen Umgebung lebt, habe ich sogar zuweilen Stadthunger – auch wenn er doch eher begrenzt bleibt. Also nutze ich die Tage in D., um diesen zu stillen und Neues im Vertrauten zu entdecken.

Allenthalben stehen Roller herum, abgestellt, fallen gelassen, wie verlorene Ferienkinder.

Sie seien eine Seuche, sagen meine Brüder. Der eine, weil sie herumflögen wie Müll, der andere, weil er als Fußgänger schon öfter beinahe überfahren worden sei.

Auch die Testzentren sind mobil geworden.

Mir fällt auf, dass viele Menschen in den Geschäften keine Masken tragen, brauchen sie auch nicht mehr, die Pflicht ist aufgehoben.

Der Krieg, der 1800 km entfernt tobt, scheint unwirklich angesichts des städtischen Alltags.

Es sind Ferien

Es ist Frühjahr,

die Welt wie ein Bild von Renoir…

Die Einwohner dieser Stadt sind in Solidaritätsbekundungen zurückhaltender als die Insulaner. Aber dann finde ich doch ein großes Banner mitten in der Stadt.

Man zeige Solidarität durch kleine Stecker am Revers, meint mein Bruder, oder besuche Kundgebungen, die gebe es schon –

und ich finde auch einen Beweis:

  • mit Einordnung ;-.)

und öffentlicher Diskussion

und Manifestationen des Wunsches nach einer anderen Welt.

Die Sonne treibt das Leben auf die Straße –

Ich begegne einem alten Bekannten

Eines seiner Gedichte schickte ich meinem Seelengefährten, als unsere Liebe gerade begonnen hatte –

und er nahm es als Zeichen für etwas neues Großes in seinem Leben.

Von Engeln und einem Inselarzt, von Kindern und Wintern

Dann war der Frühling vorbei –

an einem Montagmorgen zogen Dunstschwaden über den Felsen.

Am Dienstag und Mittwoch heulte der Wind und es regnete.

Am Donnerstag lag Schnee auf dem Friedhof –

so viel wie den ganzen Winter über nicht.

In der Schule kommt mir G. entgegen, die Mütze tief ins Gesicht gezogen.

“Na?” – prüfender Blick von mir. –

“Ist das ein vorgezogener Aprilscherz?”, fragt er verdrießlich wie eine Katze, die durchs Nasse soll.

Beim Bäcker darf ich anschreiben, weil ich meinen Geldbeutel vergessen habe.

“Bei dem Wetter schickt man doch keinen zweimal vor die Tür”, sagt die Bäckerin.

Ich gehe dann doch nochmal schnell raus.

Der Schnee malt weiße Schatten an die mageren Baumgerippe.

Kein Mensch unterwegs, aber an der Friedhofsmauer begegnet mir ein Blümchen –

Frühjahrsgrüße im Winter –

Ob man im Schatten eines Krieges schöne Bilder zeigen dürfe, fragt ein anderer Blogger.

Ja, man darf. Man sollte sogar – ….

Der alte Inselarzt – Kropatschek – schrieb in seinem Kriegstagebuch nicht nur über die kleinen und großen Ereignisse eines Kriegsalltags.

Es wirkt oft so, als habe er den Gegenschnitt gebraucht, um Mensch zu bleiben – nicht selbst aufzugehen in der allgemeinen Stumpfheit, um wach zu bleiben und das Entsetzliche zu sehen und zu dokumentieren.

Der kleine Engel landete nach zwei Wochen des Wartens auf dem Müll des Friedhofes.

Ich habe ihn mit nach Hause genommen…..

Reisen

“April, April”, flüstert mir der gemeine Wettergott zu und ich kann doch fahren.

Der Bahnhof in Cuxhaven ist das Tor in den Süden.

Naja, vielleicht ein wenig zu viel Ehre für einen Provinzbahnhof, der gerade aufgehübscht wird.

Nebenan entdecke ich einen Umschlagplatz aus besseren Tagen….

Bahn fährt zur Zeit nur, wer nicht anders kann – oder aus Überzeugung so reist.

Die Wagen sind halb leer. Man geht rücksichtsvoll und freundlich miteinander um.

Dennoch entwickelt die Bahn englische Angewohnheiten – jede Strecke, die ich nehme, wird diesmal zu einem Abenteuer: Verspätungen, technische Ausfälle – eine Übung in Gleichmut.

Die Bahnhöfe – während ich auf neue Anschlusszüge warte – sind leer wie mitten in der Nacht.

Meine erste Station ist das Hexenhaus.

Am nächsten Tag spazieren wir über den Campus der Ruhr-Uni. Vor 40 Jahren war ich schon einmal hier – wegen einer Tagung über …. ‘ich weiß nicht was’. Erkenne nur noch zwei heruntergerockte Gebäuderiegel wieder. – Der menschenleere Campus verstört und fasziniert mich zugleich.

Der Wald dagegen, den ich zwischendurch besuche, um wieder an die eine Buche zurückzukehren, nimmt uns freundlich auf.

Am Baum – ein Empfang, eine Wärme – wir sitzen und liegen neben ihm, schauen in Baumkronen – …..

dann kommt eine Frau mit E-bike, erschrickt ein wenig, als wir uns aufsetzen. “Ich besuche meinen Mann, um ihm das E-bike zu zeigen” und stellt es am Nachbarbaum ab. Sie packt Teeflasche und etwas Essen aus, setzt sich neben ‘ihren’ Baum, fängt an leise zu erzählen.

Ich freue mich – so hatte ich mir das gedacht. –

Ich hüpfe von Privatinsel zu Privatinsel – dazwischen leeres Land.

Auch D., meine nächste Station, wirkt wie eingefroren.

Dort, wo sonst Menschen im Café sitzen, müssen sich Kant und Goethe nun selbst unterhalten:

“Ei wo sinn se denn, de ganse Leit, Herr Kant?”-

“Herrr Geheimrrat, sie folgen dem kategorrischen Imperrativ.” –

Ansonsten gibt es Kunst am Baum:

So –

oder so –

In der Innenstadt muss Maske getragen werden

und das Impfzentrum ist unübersehbar ausgeschildert.

Bei einem Spaziergang abends entdecke ich dann doch ein wenig Leben – und ganz unkantisch folgt die Sehnsucht nach anderen Zweibeinern sich selbst.

Ich habe eine neue Freundin gewonnen – manchmal etwas kratzbürstig – aber mit Charakter.

Das ‘geile Fressi’ fällt durch – wenn Katzen lesen könnten ;-)

Mein Tor nach Norden – D. liegt günstig an der Nord-Süd-Achse der Bahn.

…. und dann, nach 26 Stunden unterwegs sein – zuhause.

Mieser Scherzbold

E-i-g-e-n-t-l-i-c-h wäre ich jetzt auf dem Schiff Richtung Cuxhaven.

Eigentlich! – Denn gestern schaue ich auf den Wetterdienst. Er kündigt Sturm an. Dann die Seite der Reederei –

Na toll, denke ich, jetzt muss ich meine Leute anrufen, umdisponieren, die Fahrkarte bei der Bahn stornieren. :-//

Draußen brist es schon auf.

Heute Morgen ist mein Dachfenster mit einer Schneedecke belegt.

Na schön, denke ich, drehe mich um, versuche weiterzuschlafen. Träume von Schule – GRRRRR!

Als ich aufstehe, ist der Friedhof überzuckert, aber die Sonne scheint.

Na gut, denke ich, der Sturm ist schon durch.

Ich mache mich auf den Weg, um meine Fahrkarte umzubuchen.

Draußen ist es kalt. Schauer von Eisbröckchen. Dazwischen kurz Sonne.

Im Osten blaut es.

Im Westen graut es.

Der Wind treibt den Hagel vor sich her, jagt durch die Wimpel der Fußgängerzone.

“Jetzt reicht’s langsam mal”, schimpfe ich zu ihm.

Er ist ‘schlimmer’ als die Kinder. Er hört GAR NICHT.

Heute Nachmittag –

HA HA, denke ich, seehhhr komisch. – musike