Das fremde Land

Eigentlich ist es nichts Besonderes: Dieses Land besteht aus Erinnerungen und es ist einfach viel Zeit vergangen.

Das Stahlwerk, in dem ich das erste Geld fürs erste Auto verdient habe, ist jetzt ein Industriedenkmal.

Die Kneipe, in der ich das erste Geld mit meinen Kumpels versoff, hat noch das gleiche Schild und die gleiche Fassade, aber drinnen sitzen jetzt alte Männer (wie ich) und schweigen in ihr Bier.

Das Kino hat schon lange geschlossen. Mein Gott, da habe ich mal im Auto geknutscht.

Die Gesternwelt verstellt mir den Blick auf das Heute.

Das fremde Land, dort, wo ich aufgewachsen bin.

Plötzlich

Als vor einem knappen Monat der Container mit den Möbeln ankam, schauten Fe und ich uns an und sagten sowas wie “Jetzt ist erstmal gut mit Reisen und Festland.” Aber dann sind plötzlich alle Pläne Makulatur. Mein Bruder ist erkrankt und es ist keine Bagatelle.

Also nehme ich meinen Rucksack (der eigentlich schon seit drei Tagen gepackt ist) und mache mich mit Fe auf in Richtung Südhafen.

Zufälligerweise ist gerade Sperrmülltag. Das sieht dann so aus:

Nach einer langen Saison geht die “MS Helgoland” zur Inspektion in die Werft und ich klettere in vorletzter Minute an Bord der “Funny Girl”. Eine Bande Schulkinder kichert, als wir uns zum Abschied küssen, aber die Jungs von der Gangway Crew zucken nur die Schultern und murmeln “watt mutt datt mutt”.

Die “Funny Girl” ist ein altes Mädchen, hat zwar im letzten Jahr unter Deck neues Mobiliar bekommen, aber ansonsten ist es ein eher… traditionelles Ambiente an Bord.

Dann kommt die Nordsee, dann Cuxhaven und nach einer unruhigen Nacht im Hotel die Deutsche Bahn und Land, viel Land.

Und am Ende der Reise ein Krankenhaus.

Das ist aber eine andere Geschichte.

Ende Neu

(Disclaimer: Es geht hier nicht um das Alterswerk der Einstürzenden Neubauten. Naja, indirekt vielleicht auch, aber jedenfalls ging mit dieser Titel nicht mehr aus dem Kopf.)

Hallo hallo hallo?

Hört mich noch jemand? Ein Blog, das seit einem halben Jahr nicht mehr aktualisiert wurde, checkt ja kein normaler Mensch mehr. Ist halt sanft entschlafen.

Manchmal ist es aber komplizierter:

Sommer 2018.

Ich kündige meinem Arbeitgeber der letzten vier Jahre. Damals hat er mich aus einer schlimmen persönlichen und finanziellen Klemme herausgeholt und ich war ihm vier Jahre dankbar dafür, aber jetzt ist Zeit für einen Tapetenwechsel.

Fe hat inzwischen ihre Versetzung durch zwei Kultusmysterien abgesegnet bekommen. Also fahre ich aufs Festland, um zu helfen, einen Umzug zu organisieren. Auch auf dem Festland hat es seit Monaten nicht mehr geregnet und das Herzberg-Open-Air, das letztes Jahr ziemlich matschig war, staubt dieses Jahr ein wenig.

Schön wars trotzdem. So schön, dass wir eine Woche später nochmal zur Wiese fahren. Melancholie.

Aber danach haben wir Umzugskisten zu packen.

Dann geht es erstmal wieder auf die Insel, denn Fe muss ihre Arbeit antreten. Da wir noch keine Wohnung gefunden haben, mieten wir uns in einer etwas abgerockten, aber trotzdem-deshalb schönen Ferienwohnung ein.

Und damit beginnen ein paar Monate nomadischen Daseins.

Fe’s altes Haus ist vergleichsweise riesengroß und vollgestopft mit Erinnerungsstücken. Als diese eingekistet sind, ist es ein Haus voller Kisten und wir übernachten auf diversen befreundeten Sofas, mehr oder weniger geduldet von den Stammbewohnern ;-) .

Inzwischen haben wir eine Wohnung auf dem Felsen gefunden. Es fehlen aber noch ein paar Details.

Manche Leute nennen die “Möbel”.

Es gibt einiges zu verhandeln mit der Spedition. Jepp, Spedition. Früher bedeuteten Umzüge immer: Mietauto besorgen, Freunde zum Ein- und Ausladen verhaften. Jetzt brauchen wir eine Spedition, und zwar eine, die auch übers Wasser nach Helgoland fährt. Davon gibts in Deutschland… eine.

Spätestens jetzt ist wohl klar: Niemand lebt zufällig auf dem Felsen oder weil Bottrop zu kompliziert zu erreichen war (nichts gegen Bottrop!). Ein bisschen wollen muss man schon.

Wahrscheinlich deswegen.

Und deswegen. Das sind eigentlich Fotos vom Busbahnhof und von der Fußgängerzone.

Wer das nicht schön findet, bleibt besser auf dem Festland, darf uns aber gerne im Sommer besuchen.

Es ist so eine Sache, hier Wurzeln zu schlagen.

Vor ein paar Monaten meinte ein früherer Arbeitskollege: “Helgoland ist der Ort für die, die es auf dem Festland nicht schaffen.”

Ich war angep***t, aber trotzdem wartete ich zehn Atemzüge lang, bevor ich antwortete: “Nee, mein Junge, das Festland ist der Ort für die Leute, die es hier nicht schaffen.”

Während des Festlandaufenthaltes waren wir noch zu einer Hochzeit eingeladen. Die war ganz prima und hatte unter anderem einen Quatschfoto-Automaten. Mit diesem Blogeintrag hat das eigentlich nichts zu tun – außer dass es trotzdem dazu gehört. So richtig erklären kann ich es auch nicht.

Möglicherweise ist dieses Blog an seinem Ende angelangt. Das Motto”I’m a rock, I’m an island” war 2014 sehr zutreffend.

Heute ist alles ein wenig besser und komplexer.

And so it goes, wie der gute Kurt Vonnegut zu sagen pflegte.