Nach dem ersten Sturm….

Während die Welt am Rande eines Atomkrieges entlang taumelt, scheint auf dem Felsen alles wie immer zu sein.

Der erste Herbststurm zog über die Insel

und hinterließ neuen Strauchschmuck.

Er verjagte die letzten Reste des Sommers.

Über ein langes Wochenende hinweg waren wir mit ein paar unentwegten Gästen alleine.

Anders als auf dem Festland bringt ein Sturm nicht immer nur Dauerregen und Pustewind. Manchmal klart der Himmel auf ….

und während im Süden oder Westen die nächst Regenfront heranzieht,

scheint auf der Ostseite kurz die Sonne.

Danach erscheint der Himmel frisch gewaschen.

Doch die sockenfreie Zeit ist vorbei. Die Schatten sind länger geworden.

Morgens malt die aufgehende Sonne wieder ihre Schattenbilder an die Wand.

Manchmal kommt mir der Friede hier unwirklich vor. Manchmal verzweifle ich an dem Maulheldentum mancher medialer Vertreter. Immer bewundere ich den Mut russischer Demonstranten. Es gibt immer ein Dennoch: “Sagt nein, wenn sie euch ziehen.”

Neulich las ich ein Zitat aus einem Roman von Serhij Zhadan:

Schura: “Ich denke, es wird nichts.” Harry: “Na, dann wird es halt nichts. Man muss es aber trotzdem versuchen, richtig?”

….und was seitdem geschah

Auch auf dem Felsen gab es Tage mit annähernd 30° Hitze.

Die Vogelgrippe erreichte den Felsen und ……

es gibt nur noch eine winzigkleine Kolonie. Wie gesund sie ist?

Das weiß keiner – und gestern fand ich eine Taube, die sich gegen eine Wand drückte – zu schwach, um den großen Zweibeinern auszuweichen.

Die Helgoländer Geschäftsleute klagen – das Geld sitze nicht mehr so locker bei den Gästen.

Man streitet sich über die Zukunft der Insel – Tourismus oder

erneuerbare Energien? –

Die einen fürchten, dass der Ausbau der neuerbaren Energien das Gesicht der Insel verschandele. Die anderen fürchten, dass Tourismus alleine den Felsen wirtschaftlich nicht halten wird.

Fünf Kandidat*innen haben sich zur Wahl gestellt, um Bürgermeister*in zu werden.

Die Gäste, die unter meinem Fenster ins Unterland zurückkehren, wandern durch eine Idylle, die auf sie wirkt, als lebe hier keiner mehr.

In anderthalb Stunden haben sie den Felsen umrundet, strömen dann ins Café, zum Schluss aufs Schiff – und heimwärts geht’s.

Man schnabuliert ein wenig am Felsen – aber was hat man gesehen, was gefühlt? – Will man sich wirklich von dieser Art Tourismus abhängig machen?

Draußen an der langen Anna herrscht nun Stille.

Die wenigen Basstölpel, die noch leben, können kaum den Himmel mit ihrem Schrei ausfüllen.

Und dennoch – hier wird das Herz weiter,

Ruhe kehrt ein

bei dem immer gleichen Schauspiel –

the earth ist turning clockwise – when you see it from here

Heimwärts (Epilog)

Nach vier Wochen ist es Zeit, wieder nach Hause zu fahren. Die Sommerferien sind auf den Inseln zu Ende und es gilt, noch einige Vorbereitungen für die nächsten Wochen zu treffen.

Ich fahre ein wenig wehmütig, lasse hier Menschen zurück, die zu meinem Leben gehören –

und kehre heim auf den Felsen mitten in der Nordsee. Früher – mit T. – war das leicht, fast schwerelos. Aber den fröhlichen Klang des Berges habe ich noch dabei.

Und als ich von der Friedlichkeit und Harmonie erzähle, höre ich die Vermutung, es liege an den ganzen Cannabis-Schwaden, die einen auf dem Berg umnebelten.

Ach ja – so weit sind wir gekommen, dass Friedfertigkeit nur möglich ist, wenn alle bekifft sind? –

Welch tristes Weltbild……

back home….